Wir führten ein Interview mit dem Leiter des Migrationszentrum Göttingens (MIZ)
von Alexander M. Fürniß
Nachdem wir uns in den letzten vier Ausgaben mit vielen Hilfsinitiativen für Gelüchtete auseinandergesetzt haben, haben wir uns für die Juni-Ausgabe mit einer der wichtigsten Einrichtung Göttingens diesbezüglich getrofen. Nimmt die Stadt Göttingen als Kommune Gelüchtete auf, „ist das Migrationszentrum der fachliche Ansprechpartner bei allen migrations- und asylrechtlichen Fragen“, laut Aussagen von Herrn Gaef, dem Leiter des Migrationszentrum Göttingens (MIZ), der für Fragen und Antworten der AUGUSTA Campuszeitung bereitstand:
„Das Migrationszentrum kooperiert mit rund 40 lokalen und regionalen Fachdiensten“ (z.B. der Integrationsrat Stadt Göttingen, Medinetz Göttingen oder die Evangelische Erwachsenenbildung Südniedersachsens). Das MIZ wird hauptsächlich über das Land Niedersachsen / Kooperative Migrationsarbeit Niedersachsen (KMN), der Stadt (und Landkreis) Göttingen, verschiedenen christlichen Instituten und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge finanziert. 2015 fand das MIZ große Unterstützung durch private Spenden aber auch „kultur- und zivilgesellschaftlichen Vereine“.
Das Migrationszentrum Göttingen (MIZ) stellt ein breites Beratungsangebot in Form von Integrationsund Flüchtlingsberatung bereit. Das muss auch so sein, sagt Dana Gaef, damit „die Ratsuchenden bei sozialen und rechtlichen Problemen in allen Lebenslagen beraten und begleitet werden können“. Daher müssen die Berater*innen spezifische Kenntnisse im Rechtswesen beherrschen, sowohl z.B. im Asylverfahrens- und Aufenthaltsrecht, als auch im Sozial-, Familien, Arbeits-, Miet- oder Strafrecht. Diejenigen, die nach Rat suchen, erhalten eine umfassende „juristische Erstberatung“, innerhalb derer sie in „Formulierung und Begründung ihrer Anträge und […] Schriftsätze“ Unterstützung finden. Egal ob es sich dabei um Anspruch oder Verpflichtung zum Spracherwerb, bestimmten Integrationskursen, Fragen zur Familienzusammenführung, der Arbeitserlaubnis oder um Schutzhilfen für von Gewalt betroffene oder bedrohte Mädchen und Frauen, handelt. Innerhalb der Flüchtlingssozialberatung hilft das MIZ den Geflüchteten bei der „Erstorientierung“, also bei der Vermittlung und Begleitung im Asylverfahren (Übersetzungen etc.), auch bei „finanziellen Notlagen“ oder medizinisch/ therapeutischen Anliegen. So wird z.B. aber auch im Rahmen des Projekts „MyFuture“ bei Fragen zur Ausbildungsförderung, zum Schulsystem oder Schulproblemen der Kinder (oder auch Anspruch auf BAföG) mithilfe von qualifizierten, ehrenamtlich arbeitenden Erziehungslotsen-/ innen, die Familien mit Schulkindern von der ersten bis zur siebten Klasse in allen Fragen rund um die Schule begleiten, Schülerförderung betrieben. Hierbei nimmt das MIZ eine Vermittlerrolle ein. Und unter der Wirkung des Hilfe- und Teilhabegesetzes, erzählt uns Herr Gaef, „fördert das MIZ Schüler*innen aus Zuwandererfamilien durch Einzelnachhilfe“. 2015 wurden so 90 Schüler*innen von 66 Lehrer*innen betreut, wovon ein überwiegender Teil (71) aus Familien des Projekts „MyFuture“ stammten.
Im Dezember 2014 lebten laut Ausländerbehörden der Stadt und des Landkreises Göttingen insgesamt 388 Asylsuchende und 646 geduldete und/oder ausreisepflichtige Personen in der Stadt und im Landkreis Göttingen. Im Vergleich dazu, lebten das Jahr darauf 1250 Asylsuchende und ca. 700 geduldete Personen in und um Göttingen. Vergleicht man hierbei „nur“ die Anzahl der Asylsuchenden, entspricht das einem Anstieg von mehr als 222 Prozent. Nicht zuletzt wegen dieses starken Anstiegs, bildeten sich in den letzten 1-2 Jahren beeindruckend viele Hilfs-Initiativen, wie z.B. Conqer Babel, die Refugee Law Clinic oder die „OM10“, über die wir in den letzten Monaten ausführlicher berichteten. Zum 1. April 2015 wurde für die ehemals „ehrenamtlich organisierte Koordinierung“ eine „hauptamtliche Koordinierungsstelle“ eingerichtet, finanziert durch das Diakonische Werk, der Klosterkammer Hannover und der Stadt Göttingen. Des Weiteren gibt es das Projekt „Sei willkommen“. Dieses koordiniert „Anfragen und Zusammenkünfte von Bürgerinitiativen […] und Unterstützerkreisen, die sich an das Migrationszentrum wenden“.
Das Leid vieler Geflüchteter ist unbeschreiblich. Die Abschiebung kann ständig drohen und psychische Erkrankungen, aufgrund von Einsamkeit oder den traumatischen Erlebnissen in den Herkunftsländern, treten häufig auf. Hierbei ist eine „optimale Betreuung“ vonnöten. Unterstützung findet das MIZ dabei durch erfahrene Therapeuten und dem Asklepios Fachklinikum. Bei der Zusammenarbeit mit den Ärzten, ist das mehrsprachige Personal des MIZ‘ unerlässlich und nimmt dabei, ähnlich dem „Medinetz Göt- tingen“, eine Mittlerrolle ein, da es auch Fälle von Asylbewerbern und Geduldeten gibt, die „eingeschränkten Anspruch auf Gesundheitsleistungen“ haben und betreut werden müssen. Die Klienten werden dabei „während und nach der Therapie“ von Mitarbeiter*innen des MIZ unterstützt.
Sind die erwähnten Integrationsund Assimilationsbemühungen erfolgreich angewandt worden (Sprache, Papiere, Wohnen), geht es für viele Geflüchtete als Nächstes darum, sich erfolgreich in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Das MIZ unterstützt ca. 20 Personen pro Monat „beim Verfassen von Bewerbungen und Lebensläufen“ aber auch der „Stellenrecherche und der Vorbereitung für ein Vorstellungsgespräch“, wobei das MIZ eng mit den „JobCentern […] und den Trägern von Qualifizierungsmaßnahmen“ zusammenarbeitet. Wöchentlich findet eine feste Beratung statt. Im Jahr 2015 wurden rund 500 persönliche Beratungen durchgeführt.
16 Studierende der Universität Göttingen absolvierten im Jahr 2015 ein freiwilliges oder verpflichtendes Praktikum im MIZ, bei dem sie praxisnah an die beschriebenen Arbeiten (Unterstützung bei Antragswesen, Wohnungssuche oder Schülernachhilfe) herangeführt wurden. MIZ-Leiter Gaef betont, dass ohne die Praktikanten und Praktikantinnen „das sehr zeitintensive Antragswesen nicht zu bewältigen“ sei. So besteht zwischen dem MIZ und der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen ein Kooperationsvertrag, worin festgehalten ist, dass Studierende die Möglichkeit haben „Creditpoints für ein Praktikumsmodul zu erwerben“. Außerdem vermittelt das MIZ ein Gasthörer*innenprogramm, bei dem, unterstützt und begleitet durch Studierende, ein Kennenlernen des deutschen Studiensystems ermöglicht wird. Herr Gaef resümiert dieses Verhältnis folgendermaßen: „Das Engagement der Universität Göttingen wird seitens des MIZ‘ herzlich begrüßt und dankend entgegengenommen. Die gelungene Integration kommt nicht zuletzt unserer Gesellschaft, der Zukunft unseres Landes zu Gute.“